![]() |
Die Mauer von Aschersleben Foto: Thomas Tobis |
Aschersleben (mav): Aus Anlass des 30. Jahrestages der Maueröffnung wurde
am 9. November 2019 in Aschersleben an den Wendeherbst 1989 erinnert. Hunderte
Menschen füllten die Stephanikirche zum ökumenischen Friedensgebet, das auf
gemeinsame Einladung des Evangelischen Kirchspiels Aschersleben und der
Katholischen Pfarrei "St. Michael" stattfand. In bewegenden Worten riefen
Pfarrerin Anne Bremer, Gemeindereferentin Cornelia Pickel und Martin Lampadius
die Erinnerung an jene schicksalhaften Tage vor 30 Jahren wieder wach. Etwa 3000
Menschen waren es, die schon einmal, am 17. November 1989, dem Ruf zum
Friedensgebet in die Stephanikirche folgten. Damals keimte etwas Neues, im
Rückblick Revolutionäres auf: Worte für das vorher Unsagbare, Mut, wo vorher
Resignation und Angst herrschten, wachsendes Selbstbewußtsein von Menschen, die
den sprichwörtlich gewordenen "aufrechten Gang" wagten. Wie in vielen anderen
Städten der damaligen DDR, gingen die Menschen anschließend auch in Aschersleben
für mehr Demokratie auf die Straße - erste Schritte, die letztlich die ganze
Welt verändert haben. Für viele, die damals hautnah dabei waren, bleibt die
atemberaubende Dynamik der Veränderung, die täglich wachsende Hoffnung, dass
alles anders und besser werden kann, unvergesslich.
In das dankbare Erinnern an jene Zeit und ihre Akteure mischte sich
freilich auch Nachdenkliches. Nicht nur angesichts der Ambivalenz des 9.
Novembers als "Schicksalstag der Deutschen" (1918, 1938, 1989), sondern auch,
weil längst überwunden Geglaubtes wieder zum Thema wird. Aktuelle Umfrage
verweisen auf eine ausgeprägte Skepsis vieler gegenüber Meinungsfreiheit,
Rechtsstaat und Demokratie, und auch die damals so mühsam (wieder-) gewonnene
Würde des Menschen wird von manchen infrage gestellt. Eine wesentliche
Erkenntnis aus 1989 ist daher unverändert aktuell: Das wichtigste Gut im
menschlichen Leben, die Freiheit, ist nicht gratis - sie ist untrennbar mit
Verantwortung und tätigem Eintreten für ihre Bewahrung verbunden. Nur so können
alte Mauern überwunden und das Entstehen neuer verhindert werden.
Wie vor 30 Jahren gingen die Menschen im Anschluss an das Friedensgebet mit
Kerzen zum Rathaus und weiter zum Markt. Während seinerzeit trotz der
Selbstverpflichtung der Demonstranten "Keine Gewalt!" Bereitschaftspolizei mit
scharfen Hunden in den Nebenstraßen postiert war, konnten die Menschen 2019 ein
fröhliches Bürgerfest auf dem Markt feiern und miteinander ins Gespräch
kommen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen