Sonntag, 10. November 2019

Wendegedenken in Aschersleben

Die Mauer von Aschersleben
                                             Foto: Thomas Tobis
Aschersleben (mav): Aus Anlass des 30. Jahrestages der Maueröffnung wurde am 9. November 2019 in Aschersleben an den Wendeherbst 1989 erinnert. Hunderte Menschen füllten die Stephanikirche zum ökumenischen Friedensgebet, das auf gemeinsame Einladung des Evangelischen Kirchspiels Aschersleben und der Katholischen Pfarrei "St. Michael" stattfand. In bewegenden Worten riefen Pfarrerin Anne Bremer, Gemeindereferentin Cornelia Pickel und Martin Lampadius die Erinnerung an jene schicksalhaften Tage vor 30 Jahren wieder wach. Etwa 3000 Menschen waren es, die schon einmal, am 17. November 1989, dem Ruf zum Friedensgebet in die Stephanikirche folgten. Damals keimte etwas Neues, im Rückblick Revolutionäres auf: Worte für das vorher Unsagbare, Mut, wo vorher Resignation und Angst herrschten, wachsendes Selbstbewußtsein von Menschen, die den sprichwörtlich gewordenen "aufrechten Gang" wagten. Wie in vielen anderen Städten der damaligen DDR, gingen die Menschen anschließend auch in Aschersleben für mehr Demokratie auf die Straße - erste Schritte, die letztlich die ganze Welt verändert haben. Für viele, die damals hautnah dabei waren, bleibt die atemberaubende Dynamik der Veränderung, die täglich wachsende Hoffnung, dass alles anders und besser werden kann, unvergesslich.
In das dankbare Erinnern an jene Zeit und ihre Akteure mischte sich freilich auch Nachdenkliches. Nicht nur angesichts der Ambivalenz des 9. Novembers als "Schicksalstag der Deutschen" (1918, 1938, 1989), sondern auch, weil längst überwunden Geglaubtes wieder zum Thema wird. Aktuelle Umfrage verweisen auf eine ausgeprägte Skepsis vieler gegenüber Meinungsfreiheit, Rechtsstaat und Demokratie, und auch die damals so mühsam (wieder-) gewonnene Würde des Menschen wird von manchen infrage gestellt. Eine wesentliche Erkenntnis aus 1989 ist daher unverändert aktuell: Das wichtigste Gut im menschlichen Leben, die Freiheit, ist nicht gratis - sie ist untrennbar mit Verantwortung und tätigem Eintreten für ihre Bewahrung verbunden. Nur so können alte Mauern überwunden und das Entstehen neuer verhindert werden.
Wie vor 30 Jahren gingen die Menschen im Anschluss an das Friedensgebet mit Kerzen zum Rathaus und weiter zum Markt. Während seinerzeit trotz der Selbstverpflichtung der Demonstranten "Keine Gewalt!" Bereitschaftspolizei mit scharfen Hunden in den Nebenstraßen postiert war, konnten die Menschen 2019 ein fröhliches Bürgerfest auf dem Markt feiern und miteinander ins Gespräch kommen. 

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